Da sitze ich auf einer Decke vor meinem Zelt, das ich eine Woche vor der sehr spontanen Abreise, im Keller meiner Mutter gefunden habe. Um mich herum spielen die Kinder.
Die Wellen des Atlantiks rauschen, die Piniennadeln duften und der Wind weht.
Es ist friedlich. In mir. Um mich.
Der Urlaub war nicht geplant, die Reise nicht organisiert. Das Equipment ist spärlich.
Aber die Fahrt mit dem Zug war entspannt, das Zelt steht.
Nach einer Nacht Regen, der zu viel für das alte Zelt war, trocknet die durchnässte Isomatte nun im Sonnenschein. Alles ist gut. Alles ist schön. Ich genieße und ich danke.
Alleine mit drei kleinen Kindern, ohne Planung, ohne Auto, mit wenig Kohle und ohne Ausrüstung drei Wochen an den Atlantik zu fahren, wäre vermutlich nicht für jeden denkbar. Die einen hier lieben was ich tue und schenken mir lobende Worte für den Umgang mit meinen Kindern, bewundern meine sichtbare Zufriedenheit Die anderen schauen mich skeptisch an. Der Satz eines Familienvaters bleibt mir in Erinnerung:: "Da sitzt die, hat nichts dabei und strahlt."
Was sich für mich eigentlich wie ein ganz wunderbares Kompliment anhört, klingt bei diesem Mann allerdings nach großer Verärgerung. Aber was ärgert den so, dass ich nichts brauche um hier glücklich und zufrieden zu sitzen. Dass mich nicht einmal dass alte, bescheidene und jetzt nasse Zelt aus dem Keller meiner Mutter stört. Er hat auch drei Kinder und dazu noch eine schöne Frau und er hat alles dabei - viel Equipment, also sehr viel Equipment, einen modernen großen Campingbus, die Outdoorküche steht unter dem großzügigem Pavillon. Alles trocken, alles schick. Aber strahlen tut er nicht
Meine Kinder kleben derweil mit Klebeband, das uns ein Nachbar geliehen hat, drei alte Holzkisten zusammen und bauen uns eine eigene kleine Küche. Eine Palette, die wir gefunden haben, dient uns als Tisch. Gemütlich. Kreativ. Aber irgendwie polarisierend.
Viele der Familien, die mit ihren Kindern hier sind haben sich in all den Jahren vergrößert, gesteigert. Größeres Auto, größeres Zelt, bessere Ausrüstung, mehr Luxus.
Nun könnte man ja annehmen, das mit all der Bequemlichkeit, auch das Urlauben an sich bequemer geworden sei. Die geplante Entspannung jetzt vielleicht endlich optimal verläuft. Allerdings beobachte ich anderes.
Ich höre Mütter im Waschhaus, die laute, ausufernde Monologe über Sauberkeit von sich geben, um dabei das schreiende Kleinkind unter der Dusche zu übertönen und dabei den ausweglosen Kampf kämpfen, es von der Sinnhaftigkeit des Haarewaschens zu überzeugen. Ich sehe, wie gestresste, schwitzende Väter den schweren Bollerwagen mit quengeliger, Eis verschmierter Fracht meilenweit am Strand hinter sich herziehen. Wie die Nerven der dazugehörigen Mütter eigentlich schon blank liegen, wenn sie am gewünschten Platz ankommen, die Schwimmflügel aufgeblasen haben, um dann die Männer beim Strandmuschelaufbau zu kritisieren. Wenn sie endlich das umfangreiche Sortiment an Sandelspielzeug ihren Kindern vor die Füße legen, die daraufhin um die einzige blaue Schaufel streiten. Und der vermeintlich entspannte Tag am Meer für alle zur Herausforderung wird.
Vielleicht haben sie unterwegs am Strand gar nicht bemerkt, wie schön sich der Sand unter den Füßen anfühlt. Wie hoch die Wellen heute sind. Vielleicht haben sie unterwegs keine Muscheln und Steine mit ihren Kindern gesammelt. Vielleicht haben sie sich nur auf das Ziel und das gewünschte kalte Bier aus der teuren Kühltasche als Belohnung für ihren anstrengenden Weg konzentriert und dabei die Schönheit und die Freude des Weges schlichtweg nicht wahrgenommen. Vielleicht haben sie auch gedacht, wenn die Kinder nur endlich entspannt spielen würden, dann könnte auch ich mich entspannen. Und vielleicht haben sie gar nicht bemerkt, dass ihre Entspannung auch gleichzeitig die Kinder entspannen könnte.
Ja, ich gebe zu, ich weiß genau, wie das ist. Ich kenne all die Anstrengung, ich kenne all die Mühe, all die Sehnsucht nach dem Erreichen des Zieles. All das Erhoffen, wenn - dann.
Immer auf der Suche nach mehr. Mehr Erfüllung, mehr Glück.
Das habe ich nicht nur im Urlaub so praktiziert, nein, ich war Meisterin darin mich an gewünschten Zielen festzuhalten.
Wir alle leben in permanenten möglichen Zukunftsversionen, leben in dem Bewusstsein, wenn - dann. Und verlieren dabei den jetzigen Moment. Der kostbare Moment, der alles ist. Verlieren den vollkommenen Kontakt zu uns selbst. Suchen im Außen - immer an der falschen Stelle. Bis wir gezwungen sind, den Blick nach Innen zu richten und beginnen, loszulassen. Denn wir können es im Außen nicht finden. Wir finden es nur in uns selbst. Das Leben sagt immer ja zu mir. Solange ich aber selbst nicht ja zu mir sage, kann ich auch nicht erwarten, dass es ein anderer tut. Dass es das Leben für mich tut. Aber ich sagte ja und das Leben antwortete mir mit dem größten Geschenk, ich begegnete der Liebe.
Dank dieser Begegnung, die mein Leben in ein Vorher und ein Nachher verwandelte, begann ich den Weg der Selbstliebe bewusst zu gehen. Immer tiefer und immer höher.
Und ich wurde belohnt mit einem Zugang zu mir selbst, zu meiner eigenen unendlichen Liebe. Wurde belohnt mit dem Erwachen in ein neues Bewusstsein. In die Herrlichkeit des Lebens - die Freude, die der Kern eines jeden von uns ist. Bei den meisten Menschen gut abgeschottet und mit vielen Schlössern verriegelt. Doch manchmal stellt uns das Leben vor die größten Herausforderungen, nur um hinter all dem vermeintlichem Leid den tieferen Sinn entdecken zu dürfen. Und es bricht ein Brocken aus der Mauer und dahinter ist Licht. Pures, reines Licht. Ich wurde belohnt mit dem hellsten Licht.
Also nicht mit dem teureren Wohnwagen, der schicken Badezimmereinrichtung fürs Haus. Nein, ich bekam das, was ich verdient habe, das, was ich bin. Das, was wir alle verdient haben, das, was wir alle sind. Nämlich Liebe. Und ich genieße Glück und Zufriedenheit.
Im Urlaub, wie im Alltag. Mit Pavillon oder ohne. Und ich sammle Muscheln und lausche den Wellen. Der Weg selbst ist mein Ziel, denn in jedem Augenblick, mit jedem Atemzug habe ich die Möglichkeit mich zu entscheiden, ganz da zu sein. Jetzt.
Indem ich mich für mich entscheide, gebe ich dem Leben endlich die Chance mir alles zu schenken, was es mir zu bieten hat. Und ich gebe dem Leben das, was ich zu bieten habe. Aber es gibt einen Preis, einen, der zu Beginn noch groß scheint, aber am Ende kleiner als klein ist. Der Preis ist: Dann muss ich mich zwangsläufig auch selbst angucken. Dann kann ich nicht mehr all meinen Scheiß auf andere projizieren. Oh ja, da waren Steine zum Aufräumen, manchmal ganze Geröllhaufen. Aber was soll ich sagen, es war und ist all die Mühe wert, denn ich bin mir all die Mühe wert.
Und ich teile mich, teile mein Geschenk, wie hier und jetzt im Urlaub, nur durch mein Sein. Mitten im Sand, ohne Outdoorausrüstung, ohne Strandmuschel, ohne Spielzeug. Denn die Kinder haben Hände und es gibt unendlich viele Ideen mit dem was uns dieser kleine Platz Erde hier bietet. Die Wellen des Atlantiks rauschen, die Piniennadeln duften, der Wind weht. Und ich genieße und ich danke.
Das Zelt ist dreckig, die Kinder sind noch dreckiger. Aber sehr glücklich. Meine Isomatte ist mittlerweile getrocknet. Die ältere Familie zwei Plätze weiter möchte mir ihr Zelt als Geschenk vermachen, sie reisen morgen ab und wollen es nicht mehr mitnehmen.
Und ich sitze da auf meiner Decke. Und strahle.
Und die Sonne lacht mich an und sie lacht aus mir heraus.
Denn in mir ist Frieden.

Dies ist eine gekürzte Fassung. Eine ausführliche Version, die dir noch mehr über meine persönliche Lebensgeschichte verrät, kannst du dir hier unten anhören.